Holländische Impulse? – Was kann Deutschland von den Niederlanden lernen?

Diese Frage ist mir in den letzten Jahren häufig gestellt worden. Seit der niederländischen Gesundheitsreform im Jahr 2006 sind in der deutschen Presse eine Reihe Artikel erschienen – meist mit Bildern von Mühlen und Holzschuhen illustriert – die sich der Beantwortung dieser Frage gewidmet haben. Und doch lohnt es sich heute, zwei Jahre nach Inkrafttreten der deutschen Gesundheitsreform 2007 und nur wenige Monate vor der Bundestagswahl, diese Frage erneut aufzuwerfen.

Auf den ersten Blick wurde mit der deutsche Reform vieles eingeführt, was in den Niederlanden bereits vorhanden war. Ich denke insbesondere an den Gesundheitsfonds, die allgemeine Versicherungspflicht, den Kontrahierungszwang seitens der privaten Krankenversicherung und den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich. Das Herzstück der niederländischen Reform, eine Zusammenführung von GKV und PKV in ein einheitliches Versicherungssystem, ist jedoch nicht umgesetzt worden. Dies veranlasst Kritiker von einer noch immer bestehenden Zweiklassenmedizin und fehlender Solidarität zwischen GKV und PKV in Deutschland zu sprechen – zu Recht.

Die Frage ist klar: warum gelingt eine solche Reform in den Niederlanden, aber in Deutschland nicht? Ich möchte in diesem Kommentar nicht auf organisatorische Schwierigkeiten und die heutige politische Lage hinweisen, oder die Debatte »Kopfpauschale vs. Bürgerversicherung« erneut aufführen. Statt mich in die Vor- und Nachteile des privaten niederländische Marktmodells zu verlieren (es hätte genau so gut ein gesetzliches System sein können), werde ich mich darauf konzentrieren, wie die Zusammenführung von GKV und PKV in den Niederlanden zu Stande gekommen ist.

In Deutschland wird häufig nicht realisiert, dass die Zusammenführung von GKV und PKV in den Niederlanden das Resultat ist von 30 Jahren vergeblicher Pläne und Versuche dies zu erreichen. Obwohl eine große Reform in den 1980er und 1990er politisch nicht machbar war (wie heutzutage in Deutschland), wurden in den Niederlanden Elemente der ursprünglichen Pläne (z.B. freie Kassenwahl und daraus resultierender verstärkter Wettbewerb) nach und nach eingeführt. Die gesetzlichen Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungen erfuhren so eine immer weiter voranschreitende Angleichung. Darüber hinaus wurde in den Niederlanden bereits 1986 ein Standardtarif für PKV-Versicherte eingeführt (WTZ) und – ebenfalls wichtig – die Solidarität zwischen GKV und PKV durch die Einführung von Ausgleichszahlungen (MOOZ-Premie) von PKV Mitgliedern an die GKV gestärkt.

Auf diese Weise wurde versucht, die Überrepräsentation von Älteren in der GKV zu kompensieren. Dies alles hat dazu beigetragen, dass GKV und PKV immer mehr miteinander verflochten wurden und zunehmend Konzerne entstanden, die beide Versicherungsarten anboten. Der letzte große Schritt – die eigentliche Zusammenführung – war lediglich die logische Schlussverfolgerung.

Deutschland darf sich vor allem nicht alleine an dem von den Niederlanden gewählte private Bürgerversicherungsmodell mit Kopfpauschalen orientieren – Deutschland wird sein eigenes Modell finden müssen. Was Deutschland aber lernen kann ist, dass eine große Reform Zeit benötigt und aus kleinen, aufeinander aufbauenden Schritten besteht. Deutschland hat heute bereits einige dieser Schritten getan und befindet sich auf dem Weg. Aber vom Ziel, wie auch immer dieses aussehen mag, sind wir vielleicht noch Jahre entfernt – ähnlich wie die Niederlande in den 80er und 90er Jahren.