Der Kunde kauft – oder eben nicht | Finanzierung der ambulanten Pflege

Die ambulante Pflege nach SGB XI wird i. d. R. anhand von Leistungskomplexen vergütet, in denen aus pflegerischer Sicht zusammenhängende Tätigkeiten in einem Modul zusammengefasst werden.

Obwohl eine bundeseinheitliche Empfehlung für einen Modulkatalog existiert, unterscheiden sich die Inhalte und Bewertungen einzelner Module zwischen und auch innerhalb der Länder z. T. erheblich. Das führt zu einem hohen Maß an Intransparenz und macht einen Preis-Leistungsvergleich zwischen Diensten unmöglich.

Ein Modul wird in Abhängigkeit von seiner Zeitintensität mit einer Punktzahl bewertet. Der Preis in Euro je Punkt wird in den Entgeltverhandlungen zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern, repräsentiert durch die Pflegekassen und die Sozialhilfeträger, vereinbart. In diesen Verhandlungen ist ein entscheidender Kostenträger nicht vertreten: Die Pflegebedürftigen. Der Preis hat direkte Auswirkungen auf die Menge der Pflegeleistungen, die durch die Pflegekassen finanziert werden können. Darüber hinausgehende Pflegeleistungen werden selbst finanziert, sofern kein Sozialhilfeanspruch besteht. In den Verhandlungen werden folglich Verträge zu Lasten Dritter geschlossen.

Es kommt vor, dass einzelne Dienste aus Wettbewerbsgründen in Einzelverhandlungen gezielt einen möglichst niedrigen Punktwert vereinbaren, um ihre Leistungen günstiger anbieten zu können. An diesem Preiswettbewerb gehen viele Dienste zugrunde – oder die Lebensqualität der Pflegekräfte sowie ihrer Klienten.

Um Kosten zu senken, erhalten Pflegekräfte eine geringere Entlohnung und weniger Zeit für ihre Klienten, worunter die Pflegequalität leidet. Bestimmte Veränderungen in Psyche und/oder Physis des Klienten können aus Zeitmangel nicht wahrgenommen werden, was u. U. zu einer Fehlversorgung führen kann.

Um aus dem reinen Preiswettbewerb einen Preis- und Qualitätswettbewerb zu machen, ist es notwendig für mehr Transparenz zu sorgen. Der Kunde muss im Vorfeld erfahren können, welcher Preis zu zahlen ist und welche Leistung dafür geboten wird. Wird die Leistung durch eine Pflegefachkraft, eine Hilfskraft oder einen Zivildienstleistenden erbracht? Wie viel Zeit verwendet der Dienst durchschnittlich für ein bestimmtes Modul? Der Klient entscheidet dann, ob er die kleine Pflege für 9,50 Euro und im Schnitt 45 min. kauft, oder für 14 Euro und 60 min.

Um eine solche Transparenz herzustellen, ist ein weiterer Schritt notwendig: Ein bundeseinheitlicher Leistungskomplexkatalog mit einheitlichen Punktzahlen. Idealerweise sollte er als Abwahlsystem gestaltet sein, so dass einzelne Leistungen eines Komplexes unter Preisverringerung abgewählt werden können, sofern diese Leistungen z. B. durch Angehörige ausgeführt werden.

Der Klient müsste dann nur noch den Punktwert je Dienst vergleichen und die dafür zur Verfügung gestellte Zeit. Diese Marktpreislösung ist dem in seiner Gestaltung suboptimalen Verhandlungspreismechanismus vorzuziehen: Der Dienst bestimmt den Preis. Der Kunde kauft – oder eben nicht.