Vielfach ging in den vergangenen Wochen das Bild vom »Patienten Krankenhaus« durch die Schlagzeilen. Anlass für die umfangreiche Berichterstattung unter diesem nicht sehr originellen Titel war vor allem der Protest von 130.000 Menschen in Berlin mit der energisch vertretenen Forderung nach einer drastischen Erhöhung der zugesagten Finanz spritze von drei Milliarden Euro für die Krankenhäuser. Da staunt die Beobachterin – für die Krankenhäuser geben wir im Jahr 52 Milliarden Euro aus, jetzt sollen drei dazu kommen und das reicht ihnen immer noch nicht?
Die verbreiteten Wahrnehmung des deutschen Gesundheitswesens: ein riesiger Koloss mit unvorstellbar hohen Kosten und zweifelhafter Leistung. So schaut’s von außen aus, die Details möchte man da lieber gar nicht kennen, das könnte kompliziert werden. Und es ist ja auch kompliziert. Das Betreiben von Krankenhäusern ist allemal kompliziert und in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden. Starre Finanzregelungen, dabei große Veränderungen durch ein neues Preissystem, Tariferhöhungen der letzten Jahre machen das Personal immer kostspieliger, ohne dass von einer Zufriedenheit der Beschäftigten die Rede sein kann. Als wäre das nicht genug, werden die Ansprüche von Patienten höher, an Qualität, an Betreuung, an Service.
Das System unter Druck
Kein Wunder, dass sich im Angesicht dieser schwierigen Situation die Menschen, die in Krankenhäusern arbeiten, beklagen. Ob die Forderungen nach mehr Geld gerechtfertigt sind, mag der Beurteilung im Einzelnen unterliegen, aber auf je den Fall sind alle Beschäftigten erschöpft vom ständigen Druck auf sie, mehr Leistung, mehr Qualität zu gewährleisten und dabei auch noch die ununterbrochene Bereitschaft zu Veränderungen aufzubringen. Denn ganz abgesehen von möglichen großen Entwicklungen in der Politik – in den Häusern jagt eine interne Reform die nächste. Aber mehr Geld, heißt es, mehr Geld sei nicht da.
Ob wohl sich in den vergangenen Jahren immer weniger Angestellte um wenn nicht mehr, dann jedoch um öfter wechselnde Patienten kümmern, deren Hilfebedarf größer wurde.
Dahinter steckt die schwierige Auswirkung einer eigentlich wünschenswerten Entwicklung: nämlich dass Patienten heute kürzer zur Behandlung in den Häusern bleiben. Doch damit entfällt eben die Zeit, in der Patienten sich mit geringem Unterstützungsaufwand in den Häusern betreuen ließen. So begrüßenswert diese Entwicklung nicht nur für die immer um ihre Töpfe besorgten Geldverwalter in den Kassen, sondern natürlich auch für Patienten ist, die auch im schönsten Krankenhaus nicht länger bleiben wollen als notwendig, für die Beschäftigten ist die Folge erhöhte Arbeitsverdichtung.
Trend zur Spezialisierung
Ohne dieses Problem verniedlichen zu wollen – grundsätzlich entwickeln sich Krankenhäuser in die richtige Richtung. Im letzten Jahrzehnt haben die Krankenhäuser über die Art und Weise der Behandlung nachgedacht, das hat zu einer Ausdifferenzierung der Krankenhäuser mit spezialisierten Abteilungen, einer verstärkten Zusammenarbeit mit ambulanten Fachärzten und damit zu einer stärkeren Integration der medizinischen Leistungen geführt – alles das war vielfach im wohlverstandenen Interesse der Patienten. Und dass Krankenhäuser sich heute auch beim Aufenthalt der Patienten mehr damit beschäftigen, was die Anwesenheit angenehm und freundlich macht, ist ebenfalls sehr zu begrüßen. Daher wird im Ernst niemand die guten alten Zeiten zurückwünschen, die eben so gut nicht waren.
Diese Entwicklung wird weiter gehen: Kliniken werden sich in wachsendem Maß zu medizinischen Versorgungszentren entwickeln, wo man von ambulant bis stationär alle notwendigen Leistungen an einem Ort finden kann. Und Kliniken werden sich noch stärker zu Spezialisten entwickeln, deren Leistungen von Patienten ausgesucht werden – beraten von ihrem Arzt, aber auch von anderen Informationsquellen. Wobei Aussuchen ein großes Wort ist, das die Wirklichkeit nicht immer beschreibt. Die Krankenkassen schließen immer öfter Verträge mit einzelnen Häusern oder Gruppen, die sie dann ihren Patienten empfehlen. Wäre es nicht ein so neuer Gedanke im deutschen Gesundheitswesen, nach der Qualität von Behandlungen und Leistungen zu fragen, dann müssten sich die Krankenkassen schon heute einer kritischeren Diskussion über ihre zunehmende Praxis stellen, die Entscheidungen für ihre Mitglieder zu treffen. Andererseits – kommen wir noch einmal auf die alten Zeiten zurück – früher war das durchaus üblich, dass man einfach ins nächstgelegene Krankenhaus ging oder dass bei der Rehabilitation, als sie noch eine leicht zugängliche Kur war, die Krankenkassen entschieden, mit welchem Haus sie vertraglich verbunden waren und dass ihre Patienten dort auch hinzugehen hatten.
Forderung: Mehr Transparenz
Aber diese Zeiten sind lange vorbei. Patienten verhalten sich heute anders, anspruchsvoller und skeptischer, dahinter steht ein anderes Selbstbild, damit verbunden sind auch andere Erwartungen, auf allen Seiten. Patienten sollen heute mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen, aber umgekehrt wollen sie eben auch wissen, was sie erwartet, im Krankenhaus und auch bei an deren Behandlern, so wohl an Service als auch an Qualität der Behandlung. Nachdem einige Krankenhäuser freiwillig damit angefangen haben, Berichte über ihre Leistungsqualität zu veröffentlichen, haben Krankenkassen mit entsprechenden Informationen nachgezogen. Als jüngste Errungenschaft kommt mit der Weißen Liste eine Initiative, die von großen Patientenverbänden mitgetragen wird, dazu. Alle Anbieter werden aber noch daran arbeiten müssen, ihre Informationen leicht verständlich zu machen. Eine Aufgabe, die sich nicht nur in diesen Fällen stellt, sondern für alle akut ist, die Informationen weiter verbreiten wollen.
Fachleute mögen es beklagen, aber tatsächlich ist es so, dass viele Patienten nur danach fragen, ob sie geheilt werden, gutes Essen bekommen und die Schwestern nett waren. Trotzdem – könnten sie die genaueren Fachinformationen verstehen und zu ihrem Problem in Beziehung setzen, sie würden es sicher schätzen und nutzen. Selbst bei der Weißen Liste bleibt bislang noch der Eindruck, dass man die Patienten für gebildeter hält als sie sind, dass man sich nicht genug Mühe gibt, ihnen die – zweifellos komplizierten – Sachverhalte gut verständlich zu erklären.
Diagnose: Chronisch krank
Um in dem überstrapazierten Bild vom Patienten Krankenhaus zu bleiben: Gemessen an den vielen Veränderungen, die die Krankenhäuser schon in den vergangenen Jahren durchlaufen haben und angesichts des Umstands, dass viele weitere Veränderungen vorliegen, muss man das Krankenhaus wohl als chronischen Patienten bezeichnen. Aber wie es bei Chronikern oft ist – die Haltung zur eigenen Krankheit ist ein entscheidender Faktor für das Wohlbefinden und die Heilung.
Auf jeden Fall sollte nicht mit einer langen Ruhephase gerechnet werden. Die bedeutsamste Veränderungen ist wohl, dass die Krankenhäuser in neue Beziehungen zu ihren tatsächlichen und potentiellen Patienten treten müssen: Sie müssen sich erklären, sie müssen sich selber preisen für ihr Können und ihr Expertentum, sie müssen sich unterscheiden von all den anderen Anbietern – das alles, damit ein Haus einen guten Ruf erwerben kann, damit sich dieser gute Ruf weiter verbreitet, damit Menschen sich für ein bestimmtes Haus entscheiden.
Dass die Zahl der Krankenhäuser in den kommenden Jahren abnehmen wird, kann als gesichert gelten. Aber was im Einzelnen beklagt werden mag, unterm Strich liegt darin ein Gewinn: weniger Krankenhäuser mit einen deutlichen Profil und klaren Qualitätsversprechen – für Patienten, die nur noch kurz in den Häusern sind. Mag der Druck auf die Häuser auch chronisch sein, eine deutlich positive Entwicklung kann aber auf jeden Fall festgestellt werden.