In Deutschland gibt es mehr als 2.100 Kliniken und die versorgen etwa 16 Mio. Patienten im Jahr. Das Ökosystem wird dabei erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Einige Menschen und Institutionen versuchen gegenzusteuern.
Unsere moderne Medizin gehört zu den größten Umweltverschmutzern weltweit. Diesen Vorwurf erhebt der Hygiene-Forscher und Kinderarzt Professor Franz Daschner immer wieder – unter anderem letztes Jahr in seiner Rede zur Fachtagung »Welttag der Hauswirtschaft«. Auch wenn das seine »lieben Medizinerkollegen« nicht gerne hörten, Beweise lieferten 15 Jahre Forschung am Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Universitätsklinik Freiburg. Für jedes Krankenhausbett werden durchschnittlich 5.800 kWh Strom und 29.000 kWh Wärme im Jahr verbraucht. Das entspricht dem Bedarf von mehreren Einfamilienhäusern. Ein besonderes Ärgernis für den Hygieniker: Hunderte Tonnen Desinfektionsmittel werden – seiner Meinung nach unnötig – in Krankenhäusern benutzt und zerstören im Abwasser die »guten Bakterien, die wir für die biologische Abwasserreinigung brauchen«. Dabei müsste man, so der 68jährige, Klinik-Fußböden zum Beispiel gar nicht desinfizieren, weil Bakterien dort in der Regel verhungerten.
Umweltschutz als präventiver Gesundheitsschutz
Franz Daschner war der erste Mediziner, der im Jahr 2000 den hoch dotierten Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) erhielt. »Er konnte zeigen, dass die Reduzierung des Einsatzes umweltbelastender Stoffe und Substanzen, wie zum Beispiel Reinigungs- und Desinfektionschemikalien, Medikamente und Antibiotika, ohne Missachtung der gebotenen Hygienestandards, möglich ist.« So steht es auf der Homepage der DBU. Doch in Hygiene-Fachkreisen wurde Daschners Glaubwürdigkeit oft angezweifelt: Der Professor sei kein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Desinfektionsmittelanwendung, hätte seine Aussagen nicht in adäquaten wissenschaftlichen Arbeiten belegt und würde Patienten und Personal gefährden, so einige Vorwürfe. Nichts desto trotz gründete Daschner mit seinem Preisgeld die »via medica – Stiftung für eine gesunde Medizin«, die über das Thema Ökologie im Krankenhäusern aufklärt.
Umweltschutzmaßnahmen gehören mittlerweile in vielen Unternehmen zum Alltag, sind maßgeblich für das Image und notwendig, um am Markt bestehen zu können. Oft engagieren sich Firmen freiwillig stärker, als vom Gesetzgeber verordnet und greifen zum Beispiel auf spezielle Managementsysteme zurück. »Krankenhäuser müssten eigentlich die Vorreiter des ökologischen Wirtschaftens sein«, findet Tide Voigt, seit 1999 Umweltschutzbeauftragte der Berliner Charité und damit Ansprechpartnerin für Pflegepersonal und Behörden. »Denn Umweltschutz ist präventiver Gesundheitsschutz«. Doch es sind auch ganz praktische Gründe, die Kliniken zum grünen Handeln bewegen. Die steigenden Energiekosten zum Beispiel, nagen heftig an den oft knappen finanziellen Ressourcen der Häuser.
Energie sparendes Krankenhaus
Das Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin Kladow hat deshalb vor drei Jahren sein veraltetes Versorgungssystem erneuert. Das Wärmenetz wurde komplett umstrukturiert und 1.800 Heizkörper in 18 Gebäuden an spezifische Raumwärmebedürfnisse angepasst. Die Klinik orderte Erdgas statt Heizöl, außerdem Ökostrom und optimierte ihre Beleuchtung, zum Beispiel durch Dimmer. Für die dauerhafte Überwachung der Wärmeversorgung ist ein Energiemanagement-System zuständig:
Die Daten jedes Raumes werden automatisch erfasst und können jeder Zeit von PC aus geregelt werden. 900.000 Euro, inklusive Beratung hat das Krankenhaus für diese Veränderungen von einem Stromanbieter bekommen. Die beiden Unternehmen haben einen Energiespar-Vertrag abgeschlossen. Die Geld-Leihgabe muss die Klinik in Raten zurückzahlen. Der Vertrag läuft acht Jahre. Erst da nach wird man in Kladow die finanziellen Vorteile der ökologischen Hauswirtschaft voll und ganz auskosten können.
Über ein gutes Image kann sich die Klinik schon seit September 2007 freuen. Da erhielt sie das Gütesiegel »Energie sparendes Krankenhaus« des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). »Ein Verbindungsingenieur hat uns von der Auszeichnung erzählt«, erzählt Uwe Bronnert, leitender Techniker des Klinikums. »Aber ehrlicher Weise muss man sagen, dass unser Anstoß ein rein ökonomischer war.« Seit 2001 vergibt der BUND das Gütesiegel an Krankenhäuser, die ihre CO2-Emissionen zum Beispiel um 25% jährlich verringern. Kladow hat sogar 27% geschafft – verbraucht statt 3.815 Tonnen CO2 Emissionen nur noch 2.755 Tonnen.
»Wir wollen Krankenhäusern einen öffentlichkeitswirksamen Anreiz bieten, sich ökologisch zu engagieren«, sagt Annegret Dickhoff vom BUND. »Es ist allerdings schwer unsere Kriterien zu erfüllen. Viele Krankenhäuser bewerben sich und schaffen es nicht.«
Nationales & EU-Recht
Wer die Auszeichnung bekommt, behält sie fünf Jahre lang. Dann gilt es neue Anforderungen zu er füllen. Vier der insgesamt 25 Gütesiegel-Krankenhäuser sind an dieser Problematik vorerst gescheitert. Umbauten, Renovierungen oder inkonsequentes Verhalten haben einen zu hohen Energieverbrauch verursacht.
In Kladow soll das nicht passieren. Die Betriebsärztin Elisabeth Rosenkranz hält regelmäßig Seminare zu umweltschonendem Nutzverhalten. »Und das Pflegepersonal zeigt immer öfter Eigeninitiative und fragt zum Beispiel nach Zeitschaltuhren für technische Geräte«, sagt Uwe Bronnert. »Es sind die kleinen Dinge, die am Ende viel ausmachen.« Auch Tide Voigt ist überzeugt, dass das Kernstück des Umweltschutzes die Mitarbeitermotivation ist. »Man muss versuchen einen Lebensstil zu vermitteln«, sagt die Umweltschutzbeauftragte, »nicht nur einzelne Vorschriften oder Tipps. Wer heute seinen Müll trennt, muss das auch noch morgen und nächste Woche tun«
Das Thema Abfall stellt Kliniken vor besondere logistische, umweltpolitische und finanzielle Herausforderungen. Allein die Berliner Charité produziert 9.800 Tonnen Müll im Jahr. Insgesamt gehören Krankenhäuser zu den größten Abfallproduzenten Deutschlands. Zwar ist der Hauptanteil der Materialien hausmüllähnlich und kann relativ einfach gesammelt, entsorgt oder verwertet werden, doch es fällt auch Sonderabfall, wie Desinfektionsmittel und Laborsubstanzen an, der einen höheren Entsorgungsaufwand verlangt und nicht ungefährlich für Boden, Luft oder Wasser ist.
Es sind die kleinen Dinge
Grundsätzlich unterliegt das Abfallmanagement von Unternehmen dem Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (KrW-AbfG). Laut § 54 ist zum Beispiel ein Abfallbeauftragter für »Betreiber von Anlagen, in denen regelmäßig besonders überwachungsbedürftige Abfälle anfallen« Pflicht. Doch auch die Europäische Union wirkt auf die nationale Gesetzgebung ein.
Nach der EU-Deponierichtlinie zum Beispiel, muss Abfall biologisch, chemisch oder physikalisch behandelt werden, bevor er lagerungsfähig ist. Dadurch soll unter anderem die Entstehung von klimaschädlichem Deponiegas verhindert werden. »Doch oft findet eine Vorbehandlung nicht statt. Der Müll wird lediglich verbrannt und die Asche auf die Deponien gebracht. Nach Artikel 5 (1) der Richtlinie ist das illegal.«, sagt Salma Bannan. Die Doktorandin am Fachgebiet Abfallwirtschaft der TU Berlin will ein Konzept für medizinischen Abfall in Syrien erstellen und forscht dafür erst einmal in Deutschland. »Denn der Umgang mit Krankenhausmüll ist hier generell gut«, findet sie.
Die Bereitschaft zum ökologischeren Handeln in Kliniken entwickelt sich teilweise langsam, aber kontinuierlich. Tide Voigt glaubt, dass vor allem Gesetze, wie das KrW-AbfG den Antrieb dazu gaben. Mittlerweile wurden in vielen Häusern Stellen, wie die ihre geschaffen. Meist sind die Umweltbeauftragten auch in Landesarbeitskreisen vernetzt.
Chemikalienbörsen
Viele Krankenhäuser entwickeln immer mehr ökologische Initiativen. In der Berliner Charité gibt es zum Beispiel Glas- und Chemikalienbörsen: Nicht mehr gebrauchte Produkte werden gesammelt und neu verteilt, unter anderem an Schulen. Auch Stiftungen, wie viamedica verschaffen sich immer wieder öffentlich Gehör. Gerade laufen die Vorbereitungen zu einer bundesweiten Informationskampagne zu erneuerbaren Energien in Kliniken.
Krankenhäuser stoßen oft an ihre ökologischen Grenzen, gewollt oder ungewollt – immerhin steht die schnelle und adäquate Versorgung kranker Menschen an erster Stelle, doch das Thema Umweltschutz hat längst eine Bedeutung gewonnen, die nicht mehr unter den Tisch zu kehren ist.