Klinische Forschung in Deutschland und Berlin

Klinische Forschung in Berlin – Was ist noch zu tun?

Die Boston Consulting Group beschrieb im Jahre 2001 Deutschland als ein Entwicklungsland im Bereich der Klinischen Forschung, das seine ehemalige Spitzenposition auf diesem Gebiet lange aufgegeben hat. Neben dem Abzug der aktiven industriellen Arzneimittelentwicklung und der Verlagerung  weiterer Industrien des Medizinsek­tors von Deutschland weg wurde vor allem die Forschung in Inhalt und Qualität bemängelt. Spätestens seit dieser Zeit wurden vielschichtige Förderinitiativen gestartet vor allem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), um die Strukturen für die Klinische Forschung in Deutschland zu verbessern und insbesondere die Vernetzung der Forschungsak­ti­vitäten zu fördern.

Inzwischen haben sich einige Regionen in Deutschland herausgebildet, die zukunftsfähige Forschungscluster etabliert haben und diese in Zukunft noch weiter optimieren wollen. An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang die Region Berlin-Brandenburg zu nennen, die ideale Vor­aus­setzungen für eine Forschungsregion auf dem Gebiet der Medizin hat, die schon heute deutschlandweit an der Spitze steht, und in Zukunft europaweit und auch weltweit konkurrenzfähig sein wird. Europaweit sind die größten Konkurrenten Paris, London und Moskau. Weltweit sind es zurzeit New York und Los Angeles. In Zukunft werden wir es weltweit mit neuen, anderen For­schungsregionen zu tun haben, z. B. in Shanghai, Seoul, Bombay, Delhi, Mexico City oder Sao Paulo.

Schon 1999 hat die Deutsche Forschungs­ge­meinschaft (DFG) in einer Denkschrift über die »Klinische Forschung« festgestellt, dass in Deutsch­land ein Hauptmangel für die Klinische Forschung das Fehlen von institutionalisierten Strukturen in dafür geeigneten Gegenden (so genannten regionalen Forschungsclustern) ist. Berlin hat dieses Thema früh zu einer wichtigen Zukunftsaufgabe für die Region Berlin/Brandenburg gemacht und hat die Gesundheitswirtschaft insgesamt als ein »Leitbild von Berlin« benannt. Das Wachstums­potential des Wirtschafts- und Standortfaktors Gesundheit und Medizin soll in den Feldern Gesundheitswirtschaft, Gesundheitswissenschaft und Gesundheitsversorgung verstärkt genutzt und weiterentwickelt werden. In diesem Ge­samt­konzept nimmt die Klinische Forschung in Berlin einen ganz wichtigen Platz ein.

Klinische Forschung in der Charité und bei Vivantes

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin – nimmt im Forschungsranking den ersten Platz noch vor Heidelberg und München bezogen auf Dritt­mittel­einwerbungen, Publikationen und Erfin­dungsmeldungen ein. Neben dem Landes­zu­schuss für Forschung und Lehre von derzeit über 200 Mio. Euro konnten zusätzlich noch mehr als 100 Mio.

Euro Drittmittel für die Forschung eingeworben werden. Vivantes – Netzwerk für Gesundheit Berlin – hat seit zwei Jahren eine zentrale Struktur für die Klinische Forschung etabliert und konnte bisher bereits über 10 Mio. Euro an Drittmitteln einwerben. Die beiden großen Krankenhaus­kon­zerne des Landes Berlin – Charité und Vivantes – decken zusammen nicht nur etwas 50% der Kran­kenversorgung ab, sondern sind ebenso bezogen auf die Klinische Forschung in Berlin führend.

In beiden Konzernen ist die Klinische For­schung inzwischen gut und effektiv organisiert: Die Charité betreibt ein anerkanntes KKS (Koor­dinierungszentrum für Klinische Studien), außerdem hat die Charité als 100%ige Tochter eine CRO (Charité Research Organisation) gegründet, in der erfolgreich Klinische Studien (Phase I bis Phase IV) durchgeführt werden. Vivantes hat entsprechend ein KKF (Koordinierungszentrum Klinische Forschung) etabliert und beherbergt eine externe CRO (Parexel GmbH), mit der priviligierte Kooperationen bestehen.

Für externe Partner (Pharmafirmen, Medi­zin­produkte­fir­men, Me­di­zini­sche Fachgesellschaf­ten, For­schungs­be­hörden …) sind beide Kon­zer­ne bevorzugte An­sprech­partner für alle Fragen, die sich auf anstehende Forschungs­projekte beziehen. Damit Ber­lin in Zukunft aber in der ersten Liga weltweit mitspielen kann, bedarf es einer Koordinierung der Forschungsaktivitäten über die verschiedenen Träger der Krankenhaus­kon­zerne hinweg, so dass Berlin gegenüber externen Part­nern nur noch mit einer Stimme sprechen kann.

Zukunftsprojekt »Klinische For­schung Berlin« – Gemeinsame Struktur Charité/Vivantes

Initiiert durch den Senat von Berlin haben die Charité und Vivantes beschlossen, die Klinische Forschung beider Konzerne in einer gemeinsamen Struktur zu koordinieren und damit nur über einen gemeinsamen Ansprechpartner agieren zu können. Das Potential ist enorm: Zusammen­ge­fasst werden auf diese Art für die Klinische For­schung dreizehn Krankenhausstandorte in Berlin mit über 250 medizinischen Fachabteilun­gen und Instituten und über 1,5 Mio. Patienten (etwa 350.000 stationäre Patienten und mehr als 1,2 Mio. ambulante Patienten). Dies bedeutet eine hohe Konzentration in einem eng begrenzten geografischen Raum in einer einzigen Metropole.

Es kann z.B. die gesamte Wertschöpfungskette einer Arz­nei­mittelentwicklung aus einer Hand angeboten werden (Phase I bis Phase IV) mit einer außergewöhnlich hohen Patientenzahl. Vorrangig für diese Forschungsstruktur ist die Schaffung einer ge­meinsamen Forschungsdatenbank, die alle Pa­tien­ten der Charité und Vivantes umfasst. An dieser nicht leichten Aufgabe wird im Augenblick mit Hochdruck gearbeitet. Zusammen mit Partnern aus der Industrie (z. B. Siemens) wird versucht, die komplizierten und hoch differenzierten IT-Vor­aus­setzungen für diese gemeinsame Datenbank zu schaffen. Jeder Schritt muss natürlich dem vorgeschriebenen Datenschutz für die Patienten entsprechen.

Insgesamt soll dann eine in Deutschland einmalige Institution entstehen, die der gesamten Gesundheitsregion Berlin/Bran­den­burg nützt, der noch weitere Kranken­haus­träger angeschlossen werden können und die letztendlich am meisten den Patienten Vorteile bringt, da eine schnelle Umsetzung der Forschung in die klinische An­wendung gefördert wird.