Krankenhäuser sehen sich mit einer Fülle von Problemen konfrontiert:
- Ärzte machen ihrem Unmut über unzureichende Arbeitsbedingungen Luft. Viele junge Ärzte verlassen nach der Beendigung ihrer Ausbildung den Beruf des Arztes. Sie heuern unter anderem bei Beratungs- oder Pharmaunternehmen an. Andere sehen ihre berufliche Zukunft eher im Ausland.
- Dieser Aderlass verstärkt den sich abzeichnenden, demografisch bedingten Mangel an Ärzten besonders in mehr ländlichen Gebieten. Der Ersatz der fehlenden Ärzte durch Kollegen aus unseren Nachbarländern löst das Problem allenfalls vorübergehend, weil sich bei unseren Nachbarn eine ähnliche Entwicklung erkennen lässt – mit einer Verzögerung von nur wenigen Jahren.
- Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass auch bei anderen im Krankenhaus tätigen Berufsgruppen mit einem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern gerechnet werden muss.
- Die demografische Entwicklung der Bevölkerung lässt die Belegschaften auch in Krankenhäusern älter werden. Die Anforderungen an diese werden aber eher zunehmen.
- Führungskräften fehlt es (noch) an Management-Know-how. Es ist aber zu beobachten, dass sie zunehmend in eine Management-Weiterbildung investieren.
- Die Gelder, die für die Deckung der Betriebs- und Investitionskosten – gemessen an der steigenden Inanspruchnahme der Krankenhäuser – bereitgestellt werden, fließen immer spärlicher. Viele Krankenhäuser müssen sich deshalb von Mitarbeitern trennen. Investitionen, die den verbleibenden Mitarbeitern ihre Arbeit erleichtern könnten, müssen unterbleiben.
- Die Freisetzung von Krankenhausmitarbeitern bzw. verfügte Einstellungssperren mögen als Widerspruch zu dem oben konstatierten Personalmangel erscheinen. Dieser Widerspruch löst sich bei einer mittel- und langfristigen Betrachtung auf. Die Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft befinden sich zunehmend nicht mehr nur untereinander, sondern auch mit den Arbeitgebern anderer Wirtschaftssektoren im „war for talents“.
Viele – bei weitem nicht alle – dieser Probleme können durch ein professionelles Personalmanagement gelöst werden. Dies setzt allerdings voraus, dass Personalmanagement nicht – wie es so häufig geschieht – auf Personalkostenmanagement reduziert wird. Eine Unternehmensstrategie und die darauf aufbauende Personalstrategie, die ausschließlich dem Ziel der Effizienzsteigerung verpflichtet sind, greifen zu kurz. Um Missverständnissen vorzubeugen: Krankenhäuser können auf Dauer nur überleben, wenn sie Überschüsse erzielen und damit in die fachliche, personelle, organisatorische und technische Weiterentwicklung investieren können.
Was also ist zu tun, um die skizzierten Personalprobleme lösen zu können?
Benötigt wird ein systematisches Personalmarketing, das nach innen und nach außen wirkt. Ein Krankenhaus entwickelt Alleinstellungsmerkmale, die es hinsichtlich seines Erscheinungsbildes unverwechselbar und hinsichtlich seiner Kompetenz unverzichtbar machen. Es ist als Marke nicht austauschbar, weil es einen besonderen emotionalen Wert für seine Mitarbeiter darstellt. Als Magnet-Hospital genießt das Krankenhaus den Ruf als attraktiver Arbeitgeber, der qualifizierte Mitarbeiter anzieht und das Stammpersonal auf lange Zeit an sich bindet. Und nicht vergessen: Mitarbeiter, die mit ihrer Arbeitssituation zufrieden sind, sind die besten Werbemedien, die ein Arbeitgeber haben kann.
Viele Krankenhäuser haben die Zeichen der Zeit verstanden. Sie bieten eine Reihe von Maßnahmen an, mit deren Hilfe sie sich von anderen Arbeitgebern der Branche absetzen wollen. Dazu zählen unter anderem Fort- und Weiterbildungsangebote, arbeitnehmerspezifische Arbeitszeitregelungen und Altersversorgung, aber auch der Einsatz moderner Führungsinstrumente – wie das Mitarbeiterorientierungsgespräch und die Führung mit Zielvereinbarungen. Das sind wichtige Angebote, weil sie auf elementare Bedürfnisse der Krankenhausmitarbeiter abgestellt sind und weil sie kurzfristig umgesetzt werden können.
Die erwähnten und andere vergleichbare Maßnahmen werden die gewünschte Wirkung aber nur dann entfalten können, wenn sie dauerhaft eingesetzt werden und nicht finanziellen und/oder personellen Zufälligkeiten ausgesetzt sind. Zur Sicherung der notwendigen Nachhaltigkeit empfehlen sich andere Maßnahmen. Hierzu einige Vorschläge, die keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erheben:
- Es bedarf eines neuen Management-Konzepts, das als Management der sozialen Verantwortung bezeichnet werden könnte. Die Anliegen der Stakeholder des Krankenhauses, das sind vor allem die Patienten und die Mitarbeiter, aber auch dessen Eigentümer, werden bei Management-Entscheidungen explizit und für alle von den Entscheidungen Betroffenen erkenn- und nachvollziehbar berücksichtigt.
- Entscheidungen zur Überwindung der sich abzeichnenden Ziel- und Verteilungskonflikte sollten ausdrücklich auch auf moralische Normen – wie Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit – gestützt werden. Zwar wird immer wieder behauptet, Moral und Ökonomie seien unvereinbare Kategorien. Es gibt jedoch viele Beispiele, die belegen, dass dieser Gegensatz nicht sein muss.
- Krankenhäuser legitimieren sich nicht nur durch stationäre und ambulante Behandlung von Patienten, sondern auch durch ihr gesellschaftliches Engagement. Dieses kann bei der Unterstützung junger Eltern mit der Bewältigung neuer und ungewohnter Alltagsprobleme, durch die Hilfe für eine gesunde Ernährung und Lebensweise oder durch die Öffnung des Krankenhauses „rund um die Uhr“ – damit Menschen, die medizinische Hilfe benötigen, diese ohne Einschränkung erhalten können – geschehen.
- Ärzte, Pflegende und andere Berufsgruppen arbeiten im Krankenhaus, weil sie Menschen helfen wollen; sie verstehen sich als Agenten ihrer Patienten. Für die Krankenhausmitarbeiter ist es deshalb wichtig, wahrnehmen zu können, dass vom Krankenhausmanagement die Sorge um die Patienten als Grundlage der Personalstrategie gesehen wird.
- Die Krankenhausmitarbeiter wollen erkennen können, dass die besonderen kulturellen Bedingungen der Leitungsarbeit in Krankenhäusern bei personalpolitischen Entscheidungen Berücksichtigung finden. So sollte sich die Personalbedarfsbestimmung nicht nur auf Kennzahlen, die die Arbeitsproduktivität zum Ausdruck bringen, stützen; sie sollte auch berücksichtigen, dass die Pflegearbeit eben nicht durchgängig planbar ist und deshalb Spielräume benötigt, um auf das nicht berechenbare Verhalten der Patienten eingehen zu können.
- Eine Exzellenz-Initiative im Sinne der Patienten-Behandlung dient gleichermaßen der Rekrutierung neuer und der Bindung vorhandener Mitarbeiter. Einem Krankenhaus mit einem exzellenten Ruf fällt es leicht, Mitarbeiter aus dem externen Arbeitsmarkt zu gewinnen; die vorhandenen Mitarbeiter profitieren von einem hoch angesehenen Arbeitgeber mit einem Zuwachs an persönlichem Prestige und können auf diese Weise langfristig an ihren Arbeitsplatz gebunden werden.
Dies alles umzusetzen, wird nicht einfach sein. Dennoch ist es wichtig, sich angesichts der sich abzeichnenden Entwicklungen an die Spitze einer Exzellenz-Initiative „Personalmanagement im Krankenhaus“ zu setzen. Die Existenz eines Krankenhauses wird künftig nicht mehr nur mittels der finanziellen, sondern vor allem auch mittels der personellen Ausstattung gesichert.